Das Schreien des Säuglings drückt entweder ein Bedürfnis oder einen Empfindungszustand aus. Warum ein Baby schreit, kann mehrere Gründe haben: wenn es hungrig ist, wenn es schwitzt oder friert oder es drückt mit seinem Schreien seinen Unmut aus. Vielleicht hat es auch noch sein Geburtserlebnis zu verarbeiten oder es ist einfach schlecht gelaunt, müde oder überfordert.
Zumeist befriedigen wir diese Bedürfnisse und unser Baby wird wieder zufrieden und müde sein. Dies wäre der eigentliche Idealzustand. Komplizierter wird es, wenn der Säugling gefüttert ist und satt sein sollte, gewickelt und auch entsprechend von Ihnen geliebt und verwöhnt wurde, und trotzdem will er absolut nicht aufhören zu schreien. Nachdem Sie nun alles nahe liegende versucht haben, sind Sie verständlicherweise verzweifelt, vielleicht sogar den Tränen nahe und fühlen sich komplett hilflos und machen sich Sorgen. Dies ist aber in der Regel meist gar nicht nötig. Ihr Baby wird in den seltensten Fällen wirklich krank sein, sondern es drückt mit seinem Schreien sein Unwohlsein, seine Erregung aus.
Zumeist finden diese Schreiattacken in den späten Nachmittagsstunden bis spät in die Nacht hinein statt und können sich mehrere Tage, Wochen bis hin zu Monaten immer um die etwa gleiche Zeit wiederholen. Mit meist 12 Wochen sind diese Attacken dann ausgestanden, mehr darüber lesen Sie im Artikel „Bauchweh“.
Warum dieses Schreien ausgerechnet sehr verstärkt (meine Schätzungen liegen hier bei über 90% der von mir betreuten Babys) in den Abendstunden stattfindet, darüber gibt es keine gesicherten, wissenschaftlichen Erkenntnisse. Hier will ich Ihnen die verschiedenen Möglichkeiten einmal aufzeigen. Vielleicht finden Sie aufgrund meiner Beschreibungen eine Möglichkeit besser mit dem Stress zurechtzukommen. Manchmal hilft es auch zu wissen, dass dies ein Zustand ist, der eben häufig vorkommt und das Wissen darüber, dass diese Zeit genau wie das Zahnen eben wieder vorbei gehen wird.
Betrachten wir zuerst einmal unsere eigenen Vorstellungen über die Zeit mit einem neugeborenen Baby: Sie haben sich Ihr Kind vielleicht schon lange gewünscht oder in der Schwangerschaft begonnen sich darauf zu freuen und sich vorgestellt, wie schön das Leben mit Ihrem Partner und Ihrem Baby sein wird. Vor der Geburt versuchen wir bereits das „Nest“ einzurichten und streben in den allermeisten Fällen große Harmonie an. Wir sehen vor unserem inneren Auge einen Sonntagmorgen, an dem bereits Brötchen und der lecker dampfende Kaffee auf einem wunderbar gedeckten Kaffeetisch stehen….! Die junge Familie liegt schmusend im Bett und beginnt glücklich und zufrieden den neuen Tag! In der Realität kommen diese Momente sicher vor, aber schwierig werden sie, wenn das Baby nachts dreimal trinken wollte und alle nicht richtig zum Schlafen kamen, weil das Kind eben noch eine ganz andere Vorstellung von Tag / Nachtrhythmus mitbringt. Wer kocht dann morgens Kaffee und holt Brötchen?
Vielleicht müssen wir uns hier von unserem eigenen „Familienperfektionismus“ verabschieden. Auch von dem Gefühl des eigenen Versagens, weil wir es nicht schaffen das Kind zu befrieden und zu beruhigen, wenn es schreit. Es ist in den meisten Fällen nicht Ihre Schuld! Machen Sie sich davon frei! Befreien Sie sich von Schuldgefühlen – Sie haben höchstwahrscheinlich alles richtig gemacht!
Da Ihr Baby eine eigenständige Persönlichkeit mitbringt, wird es auch als eigenständige Persönlichkeit agieren und reagieren und auf Ihre Gefühle erst einmal keine Rücksicht nehmen. Wir reduzieren die Gefühle und Lautäußerungen neugeborener Kinder gerne auf Hunger, Bauchweh und volle Windeln. Überlegen Sie doch einmal gemeinsam mit mir, wie vielfältig das Seelenleben eines neugeborenen Kindes ist und was es bewegen kann.
Und dann stellen Sie sich vor, Sie haben einen ganz schlechten Tag an dem Sie schimpfen wollen und ständig versucht Ihnen jemand einen Keks (Schnuller) in den Mund zu schieben, um Sie zu beruhigen! Babys müssen auch einmal schreien dürfen, um Ihre Erregungszustände abzubauen!
Ihre Iris Edenhofer